Osterrechnung

Osterrechnung
Oster|rechnung,
 
Osterfestberechnung, die Festlegung des Osterdatums nach bestimmten kirchlichen Vorschriften. Nach einem längeren Meinungsstreit zwischen juden- und heidenchristlichen Gemeinden über den Tag, an dem Ostern zu feiern sei, brachte das Konzil von Nicäa 325 die römische Praxis allgemein zur Anerkennung, nach der Ostern auf denjenigen Sonntag fällt, der dem Tag des ersten Frühlingsvollmonds (dem Passahfest der Juden) folgt; dabei wurde ein mittlerer (»zyklischer«), d. h. auf einer Kreisbahn mit gleichförmiger Geschwindigkeit umlaufender Mond (statt des wahren Mondes) zugrunde gelegt und als erster Frühlingstag der 21. März bestimmt. Mit dieser Regelung wurde ein Bruch mit der jüdischen Tradition vollzogen, nach der das Passah, und damit nach Auffassung der judenchristlichen Gemeinden auch das Osterfest, auf jeden Tag der Woche fallen konnte.
 
Mit der Einführung des gregorianischen Kalenders (1582) wurde für die kirchliche Osterrechnung der kalendarische Frühlingsbeginn auf den 21. März 0 Uhr festgelegt, ziemlich genau der mittlere Wert, um den der wahre Frühlingsanfang (meist der 20. oder 21. März) innerhalb einer vierjährigen Schaltperiode und der 400-jährigen Schaltperiode des gregorianischen Kalenders pendelt. Aufgrund der für die Osterrechnung festgelegten Regeln kann es gelegentlich vorkommen, dass ein nach ihnen berechnetes Osterdatum den tatsächlichen Verhältnissen widerspricht (»paradoxe Ostern«, »Osterparadoxien«). Das liegt zum einen daran, dass zwischen den jeweiligen Phasen des mittleren und des wahren Mondes eine Differenz von bis zu ± 0,7 Tagen auftreten kann, und zum andern, dass der Frühlingsbeginn für die Osterrechnung auf 21. März 0 Uhr festgelegt wurde, während er z. B. in der Gegenwart zwischen 19. März 9 Uhr MEZ (im Jahr 2096) und 21. März 21 Uhr MEZ (1903) liegen kann. Ein Beispiel für eine Osterparadoxie der ersten Art war die zuletzt aufgetretene, und zwar im Jahr 1974 (7. 4./14. 4.), ein Beispiel für eine der zweiten Art ist die nächste, nämlich im Jahr 2000 (26. 3./23. 4.).
 
Das Problem der Osterrechnung besteht darin, dass durch sie der Sonnenkalender (Frühlingsbeginn gleich Frühlings-Tagundnachtgleiche) und der Mondkalender (Vollmond) miteinander verbunden werden müssen. Das Osterdatum wird heute entweder nach kirchlichen Ostertafeln bestimmt, d. h. nach Tabellen, in denen die Epakte und der Sonntagsbuchstabe des jeweiligen Jahres verzeichnet sind, oder nach der gaußschen Osterformel errechnet.
 
Die Epakte gibt das jeweilige Alter des Mondes am Neujahrstag an, d. h. die Zahl der Tage seit dem letzten Neumond. Von ihr ausgehend können der Tag des ersten Vollmonds im neuen Jahr und von diesem aus die Tage aller weiteren Vollmonde des Jahres ermittelt werden. Die Epaktenrechnung wurde von Aloisius Lilius (Aloigi Giglio, 15. Jahrhundert) eingeführt und von C. Clavius verfeinert. Den Sonntagsbuchstaben erhält man als den Buchstaben, der auf den ersten Sonntag fällt, wenn man den ersten sieben Tagen des Jahres die Buchstaben von A bis G zuordnet. Nach dem Sonntagsbuchstaben lässt sich jedem Sonntag des Jahres sein Datum zuordnen. In Schaltjahren springt der Sonntagsbuchstabe nach dem Schalttag um eine Stelle weiter, z. B. von C auf D; Schaltjahre werden durch zwei Sonntagsbuchstaben charakterisiert, hier also CD, deren erster vor der Schaltung und deren zweiter nach der Schaltung gilt.
 
Die gaußsche Osterformel wurde von C. F. Gauss genau nach den kirchlichen Vorschriften aufgestellt. Sie gilt ab 532, dem Jahr, in dem die Ostertafeln des Dionysius Exiguus in Kraft traten (mit einigen Einschränkungen gilt sie noch fast 100 Jahre weiter zurück). Nach dieser Formel sind zunächst aus der Jahreszahl J die Hilfszahlen
 
zu berechnen, wobei das Symbol [x]y den ganzzahligen Rest bei der Division der ganzen Zahl x durch die ganze Zahl y bedeutet (z. B. 1835 : 19 = 96 Rest 11, d. h. [1835]19 = 11). Anschließend werden aus diesen Zahlen mithilfe der Zahlen M und N, die sich aus der Epaktenrechnung ergeben, die Hilfszahlen d und e berechnet:
 
Ostern fällt dann auf den (d + e + 22) ten März oder auf den (d + e — 9) ten April. Dabei sind noch folgende Regeln zu beachten:
 
1) Ist das Resultat der Rechnung der 26. April, so ist an seiner Stelle immer der 19. April einzusetzen (einschränkende Bestimmung des Konzils von Nicäa; z. B. die Jahre 1981 und 2076).
 
2) Anstelle des 25. April ist immer dann der 18. April zu nehmen, wenn a > 10 und gleichzeitig d = 28 (gilt nur für den gregorianischen Kalender ab 1583; z. B. die Jahre 1954 und 2049).
 
Der früheste Ostertermin ist hiernach der 22. März, der letzte der 25. April, sodass es insgesamt 35 verschiedene Ostertermine gibt (5 · 7).

Universal-Lexikon. 2012.

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